Beitrag: Sie kam, sah, siegte und wurde vergessen (2017)
Ein Artikel von Yalda-Hannah Franzen.
Ob als Kämpferin für Recht und Freiheit oder erste Frau im Weltall – Frauen haben schon zu allen Zeiten die Welt bewegt und verändert. Auch wenn die Errungenschaften einiger Frauen in unserem kollektiven Gedächtnis fest verankert sind (Jeanne d’Arc, Hannah Arendt, Sophie Scholl…) gerieten andere Damen in Vergessenheit – oder wurden erst gar nicht bekannt.
Der kürzlich in den Kinos angelaufene Film „Hidden Figures“ befasst sich mit drei von der Geschichte vergessenen Heldinnen: Theodore Melfi erzählt von den afroamerikanischen Mathematikerinnen, die in den 60er Jahren der NASA die notwendigen mathematischen Berechnungen lieferten, um die erste erfolreiche amerikanische Weltraumkommission zu starten. Und es gibt noch mehr Frauen mit Grips und Mut! Kennt jemand Ida Pfeifer oder Rosalind Franklin? Bitte sehr: eine Hommage an fünf weitere vergessene Heldinnen.
„Ehret die Frauen,
sie flechten und weben
himmlische Rosen
ins irdische Leben“
Friedrich Schiller spiegelt das gängige Frauenbild des 19. Jahrhunderts, als er „vergessliche Ehemänner“ augenzwinkernd mit diesen Worten mahnte. Die Frauen seiner Zeit sollen sich um Hausarbeit und Kinder kümmern.
Viele fügten sich ihrer Rolle – nicht so Ida Peiffer. Sie weigerte sich, Kleider zu tragen und die Küche zum Blitzen zu bringen. Sie verbrannte sich sogar die Finger, um keine Nähkurse machen zu müssen. Sie ließ sich scheiden und reiste dann als erste Frau allein um die Welt. Dabei soll sie, laut ihrer Tagebücher, Menschenfressern auf Borneo begegnet sein. Insgesamt verfasste sie 13 Bände über 7 Reisen, die allesamt zu Bestsellern wurden (bekanntestes Werk damals: „Eine Frau fährt um die Welt“).
Und wer hätte das gedacht? Die Geschichte des Computers ist nicht diejenige des männlichen Nerds. Das erste Computerprogramm der Welt schrieb eine Frau im Jahre 1843: die Mathematikerin und Programmiererin Ada Lovelace. Währenddessen galt bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts die allgemeine Lehrmeinung: Frauen könnten nicht denken.
Ada Lovelace führte diese Behauptung mehrfach ad absurdum. Für einen nie fertig gestellten mechanischen Computer, die „Analytical Engine“, veröffentlichte sie als erste ein komplexes Programm. Es nahm wesentliche Aspekte späterer Programmiersprachen vorweg. Aus diesem Grund gilt sie heute nicht nur als erste programmierende Frau der Welt, sondern als erste Programmiererin überhaupt – fast einhundert Jahre vor Jean Bartik oder Howard Aiken. Kein Wunder, dass zwei Programmiersprachen nach ihr benannt wurden.
Zu den hochbegabten Wissenschaftlerinnen, an die sich heute nur wenige erinnern, zählt auch Schakuntala Devi (1929-2013). Sie trug den Spitznamen „The human computer“. 62 Sekunden benötigt ein Computer zur Berechnung der 23. Wurzel aus einer Zahl mit 201 Stellen. Die Inderin Devi schaffte das 10 Sekunden schneller! Unter anderem berechnete sie im Kopf den Wochentag eine beliebigen Datums aus dem 20. Jahrhundert. Sie schaffte es sogar ins Guiness-Buch der Rekorde als Weltmeisterin im Schnellrechnen.
Während Devi wenigstens zu ihren Lebzeiten einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreicht hat, ist Rosalind Franklin wahrscheinlich weniger ein Begriff, obwohl sie die Wissenschaft und Erbgutforschung entscheidend vorangebracht hat. Sie erkannte 1952 als erste Wissenschaftlerin die Struktur des Erbgutes, der DNA, und leistete die wegweisende Vorarbeit bis auf den letzten Schritt: die Entwicklung eines Modelles. So heimsten sich andere ihre Lorbeeren ein. Für die Entdeckung der Doppelhelix bekamen zehn Jahre später Francis Crick, James Watson und Rosalind Franklins Kollege Maurice Wilkins den Nobelpreis. Besonders bitter: Rosalind Franklin wurde nicht mit einer Silbe in der Dankesrede der Herren erwähnt.
In der Liste der vergessenen Heldinnen stehen nicht nur Frauen, die denken, sondern auch Frauen mit Courage: Walentina Tereschkowa war die erste Frau im Weltall. Die Russin war an Bord Vorstock 6 (Start: 16. Juni 1963) und umkreiste darin 49 mal die Erde! Als Jugendliche arbeitete Tereschkowa zunächst in einem Reifenwerk und dann als Schneiderin in einer Fabrik. Ihre Geschichte liest sich wie ein modernes Sterntalermärchen. Um dem Himmel nah zu sein, stürzte sie sich mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug. 1962 begann sie mit der Ausbildung zur Kosmonautin. Später wurde sie von Nikita Chruschtschow für eine Raumfahrtexpedition ausgesucht. Kleiner Wehrmutstropfen: Nicht nur Tereschows Talent, sondern auch die Vereinnahmung durch sozialistische Propaganda katapultierten sie ins All. Ihr Höhenflug stand symbolisch für das sozialistische Gedankengut: Jedem stehen alle Wege nach oben offen – auch einer Frau aus einfachen Verhältnissen. Trotzdem: Diese Frau hatte nicht nur Neugier, sondern auch richtig Mumm. 2013 sagte sie auf einer Pressekonferenz in Russland, dass sie für einen Marsflug auch ohne Rückkehr bereits sei. Und warum? „Der Mars ist mein Lieblingsplanet“ und „zur Not wäre ich auch mit dem Besen hingeflogen“.