Ein Beitrag aus unserem Projekt:
Women for Women (2017)
Ein Bericht von Dr. Christine Kurmeyer
Auf Initiative des Landesfrauenrats Berlin e.V. und der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Charité, Dr. Christine Kurmeyer, wird das Projekt für geflüchtete Frauen in Berliner Gemeinschaftsunterkünften „Women for Women“ seit dem 1. Dezember 2015 durchgeführt und im Jahre 2017 noch fortgesetzt. Das Projekt wurde zunächst von der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Wissenschaft gefördert und wird mittlerweile vom Regierenden Bürgermeister unterstützt.
Dieses Projekt hat zum Ziel, den Zugang von geflüchteten Frauen in Unterkünften des Landes Berlin zum medizinischen Versorgungssystem zu erleichtern und gleichzeitig präzise Daten über die spezifischen Bedürfnisse und Potentiale der Frauen zu erheben.
Zur Vorgehensweise: Gesprächskreise in den Unterkünften und wissenschaftliche Studie
Dabei greifen konkrete Interventionen in Form von Gesprächskreisen und die wissenschaftliche Studie ineinander: Eine kleine Gruppe von Frauen der Charité – eine Gynäkologin und verschiedene Beraterinnen sowie muttersprachlichen Dolmetscherinnen für Arabisch, Farsi und andere Sprachen – besuchten die geflüchteten Frauen in den Gemeinschaftsunterkünften und veranstalteten dort Gesprächskreise zum Thema Frauengesundheit. In einem Vortrag wurde über Themen wie weibliche Anatomie, Verhütung, Schwangerschaft, Hygiene und Krebsvorsorge gesprochen. Das Abtasten der Brust zur Krebsvorsorge wurde dabei ganz praktisch mit Brustmodellen geübt. In anschließenden Einzelberatungen konnte auch auf die persönliche Situation der Frauen eingegangen werden und – falls nötig – konnten Termine in der Charité vereinbart werden. Parallel dazu werden mit Hilfe von Fragebögen, die in den verschiedenen Sprachen vorliegen, Daten zu Alter, Herkunft, Bildung, Berufstätigkeit sowie zur gynäkologischen Versorgung der Frauen erhoben.
Zentrale Ergebnisse aus dem ersten Jahresbericht
Am 24. März 2017 wurde nun der erste Jahresbericht veröffentlicht und die Ergebnisse im Beisein von Staatssekretär Steffen Krach dem interessierten Fachpublikum vorgestellt. Im Jahr 2016 wurden 22 Veranstaltungen in 20 Gemeinschafts- und Notunterkünfte durchgeführt. Dabei haben mindestens 290 Frauen im Alter von 13 bis 74 Jahren die Gesprächskreise besucht.
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die geflüchteten Frauen einen erhöhten Informationsbedarf haben, der durch die konventionellen Kanäle nicht gedeckt werden kann. Dies betrifft nicht nur die Zugangsmöglichkeiten zum Gesundheitsversorgungssystem, sondern vor allem auch allgemeine Unterstützungsangebote. Bei der Frage nach möglichen weiteren Themen für Veranstaltungen für Frauen wurde am häufigsten der Wunsch genannt, weitere Veranstaltungen besuchen zu können über Schwangerschaft, Verhütungsmethoden, genitale Beschneidung oder Prävention.
Die zentralen Erkenntnisse der Studie können folgendermaßen zusammengefasst werden:
- Das Angebot der gesundheitlichen Versorgung ist möglicherweise ausreichend, aber die Kommunikation im Behandlungssetting ist eher eingeschränkt, insbesondere wenn die ärztliche Betreuung durch einen Mann erfolgt.
- Ca. 80% der bisher gesehenen geflüchteten Frauen in den Gemeinschaftsunterkünften haben Kinder. Die Verantwortung für die Kinder ist einerseits schwer zu vereinbaren mit eigenen Bildungs-, Ausbildungs- oder Integrationsmaßnahmen, aber andererseits auch ein großes Motivationspotential.
Es geht weiter: Der Runde Tisch für geflüchtete Frauen
Zur besseren Koordinierung der Hilfeleistungen für geflüchtete Frauen organisiert die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Charité seit September 2016 einen ‚Runden Tisch für geflüchtete Frauen in Berlin‘ zum Erfahrungsaustausch und zur besseren Abstimmung zwischen entsprechend ausgerichteten Frauenprojekten und -initiativen. So können die vielfältigen Angebote gesammelt und dokumentiert werden und es kann ein Hilfsnetzwerk aufgebaut werden, das auf die Bedürfnisse geflüchteter Frauen reagieren und ihre Integration erleichtern kann. In nächster Zukunft ist auf den Seiten des Landesfrauenrats ein gesonderter Internetauftritt des ‚Runden Tisches‘ geplant zu Themenfeldern wie Arbeit und Bildung, Gesundheit, Wohnen oder Gewaltschutz. Auf diesen Seiten können dann KoordinatorInnen, SozialarbeiterInnen oder engagierte HelferInnen einen schnellen Überblick über mögliche Angebote gewinnen und einen persönlichen Kontakt über eine Mitgliederliste herstellen.
Die Kooperation zwischen dem Landesfrauenrat Berlin e.V., der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Charité, Dr. Christine Kurmeyer, und dem Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Charité, Prof. Dr. Jalid Sehouli, hat sich für die geflüchteten Frauen in Berlin als besonders hilfreich erwiesen: Im Rahmen des Projekts konnte nicht nur ein dringend erforderliches Hilfsnetzwerk aufgebaut werden, sondern eine valide Datengrundlage dient der präzisen Situationsanalyse geflüchteter Frauen in Berlin. Daraus können weitere politische Maßnahmen bzw. der Ausbau von Integrationsmaßnahmen auf lokaler Ebene abgeleitet werden.