Beitrag zur Veranstaltung:
Kandidat*innen auf dem heißen Stuhl-Politik aus der Nähe (2017)
Photocredit: Rodrigo Barreto (mehr Infos hier).
Ein Bericht von Jessica D’Agata
2017 ist ein entscheidendes Wahljahr. Nachdem sich mit der AfD eine antifeministische Partei in den Landtagen verschiedener Bundesländer etabliert hat, erhält die Frage nach Gleichstellung auf ökonomischer, politischer und sozialer Ebene, sexueller Selbstbestimmung und queeren Lebensformen eine neue Dringlichkeit. Außerdem stehen auch dieses Jahr wieder unterschiedliche Konzepte mit Hinblick auf Schließung der Lohnlücke, Vereinbarkeit, steuerliche Entlastung von verschiedenen Lebens- und Familienmodellen (Ehegattensplitting), Kinderbetreuung, Pflegekräfte und Hebammen, Frauenquotierung etc. zur Wahl.
Deshalb gab der Landesfrauenrat Berlin seinen Mitgliedern und allen interessierten Berlinerinnen im Rahmen der Veranstaltung „Vor der Bundestagswahl – Kandidat*innen auf dem heißen Stuhl“ am 26. Juni die Möglichkeit, die Spitzenkandidat*innen der Berliner Parteien, die im Abgeordnetenhaus vertreten sind, auf den Zahn zu fühlen und sie zum gleichstellungsbezogenen Themen zu befragen.
Das Konzept der Veranstaltung sah vor, dass die 90 Besucher*innen in kleinen Gruppen an Tischen platziert werden, während die einzelnen Kandidat*innen von Tisch zu Tisch wechselten, um sich je 15 Minuten den Fragen der Teilnehmer*innen zu stellen. Die Moderation an den jeweiligen Tischen wurde von einer Vorstandsdame aus dem LFR geleitet. Teilgenommen haben die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Eva Högl, der ehemalige Berliner Justizsenator Thomas Heilmann von der CDU, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/die Grünen im Abgeordnetenhaus Stefan Gelbhaar, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Petra Pau (Die Linke), der ehemalige Fraktionschef der Berliner FDP Christoph Meyer und die Landesvorsitzende der AfD Berlin Beatrix von Storch.
Nach der offiziellen Begrüßung durch die Vorsitzende des LFR wurden die Kandidat*innen nacheinander durch die Moderatorin Sharon Adler vorgestellt. Bei der Einführung von Beatrix von Storch wurde dies durch den lautstarken Protest einer Teilnehmerin gegen die antifeministischen Positionen der AfD-Politikerin unterbrochen. Danach begaben sich die Spitzenkandidat*innen an die sechs Tische und die Fragerunden begannen. Während der Veranstaltung herrschte eine sehr konzentrierte Stimmung im Saal, die Teilnehmenden und die Politiker*innen vertieften sich in die Gespräche (Eindrücke von einer Tischgruppe hier).
Zum Schluss bekamen die Politiker*innen kurz die Gelegenheit, in einem Statement darzulegen, was sie aus den Gesprächsrunden mit in den Bundestag nehmen. So betonte etwa Petra Pau, dass sie in den Runden wichtige Hinweise bekommen hat und dass sie es wichtig findet, dass die Spitzenkandidat*innen zu Geschlechterthemen befragt werden, damit diese es auch in ihrer Arbeit berücksichtigen und nicht den Expert*innen in ihrer Fraktion überlassen. Stefan Gelbhaar stellte fest, dass viele frauenpolitische Bereiche legislativ bereits reglementiert sind und dass lediglich die Umsetzung stärker vorangetrieben werden muss. Zudem kritisierte er, dass Beatrix von Storch im Rahmen der Veranstaltung ein Forum geboten worden ist. Christoph Meyer nutzte sein Abschlusswort, um klarzustellen, dass die Impulse und die Ansätze, die aus den Fragerunden kamen, trotz Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die Quotenregelung innerhalb seiner Partei berücksichtigt werden.
Das vom Landesfrauenrat eröffnete Begegnungsforum bot einen begrenzten aber intensiven und fruchtbaren Austausch zwischen Berliner*innen und den führenden Politiker*innen unserer Hauptstadt und hat somit einen wesentlichen Impuls für konstruktive Auseinandersetzungen auf frauenpolitischer Ebene gegeben.