Bericht
„Frauen machen Berlin!“
Wie steht es um die politische Teilhabe von Frauen in Berlin? Was gibt es noch zu tun? Welche Rolle kann ein Paritätsgesetz spielen? Die Friedrich-Ebert-Stiftung lud zusammen mit der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin und dem Landesfrauenrat dazu ein, auf Grundlage der Studie „Frauen MACHT Berlin!“ diese Fragen lebendig zu diskutieren.
Kooperationsveranstaltung mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der EAF Berlin.
21. März 2022 I 17-19:00 Uhr I Online-Webinar
Die Online-Veranstaltung war gut besucht – keine Überraschung, denn mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Landesfrauenrat Berlin und der EAF Berlin hatten gleich drei frauenpolitische Akteure zu einem Abend im Zeichen der „Stadt der Frauen“ eingeladen. Das Grußwort hielt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey.
Dr. Nora Langenbacher von der FES begrüßte die Anwesenden und sprach zugleich an, was viele beschäftigte: Die Veranstaltung stehe unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine. Es sei gerade schwer, dem „Alltagsgeschäft“ nachzugehen und die Gedanken seien bei jenen, die für Frieden arbeiten und vor Krieg fliehen. Nora Langenbacher wies drauf hin, welche wichtige Rolle Frauen auch für die Friedenssicherung spielen. Somit sei das Thema des heutigen Abends, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen, langfristig auch ein Beitrag für Friedenssicherung und Konfliktlösung.
„Berlin braucht Parität!“ laute, so Nora Langenbacher, das Ergebnis der Studie, die nun vorgestellt und diskutiert werden solle. Die Argumente für ein Paritätsgesetz seien zahlreich und gut und eine geschlechtergerechte Teilhabe ohne gesetzliche Regelung z.B. des Wahlrechts würde – wie die Faktenlage zeige – nicht funktionieren. Ob, wie und warum das Paritätsgesetz angegangen werden muss, würde im Anschluss an die Vorstellung der Studie durch Dr. Helga Lukoschat von der EAF Berlin auf einem Panel diskutiert werden. Nora Langenbacher begrüßte als Diskussionsteilnehmerinnen: Mirjam Golm, MdA und gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im
Abgeordnetenhaus von Berlin, Clara Herrmann, Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg (Die Grünen), Dr. Maren Jasper-Winter, MdA und frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion sowie Prof. Dr. Silke Laskowski von der Universität Kassel, Autorin des FES-Gutachtens „Berlin braucht Parität“. Als Moderation wurde Dr. Christine Kurmeyer, Vorstand des Landesfrauenrats Berlin, und für einen abschließenden Kommentar Carola von Braun, Sprecherin der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen, begrüßt.
Franziska Giffey betonte in ihrem Grußwort, dass sie sich als erste gewählte Bürgermeisterin in 800 Jahren Stadtgeschichte für das Thema der politischen Teilhabe von Frauen besonders verantwortlich fühle. Der jetzige Senat sei der weiblichste Senat in der Geschichte und das sei ein wichtiges Signal. Dennoch sei noch viel zu tun, daher stehe sie für ein Paritätsgesetz ein. Das Scheitern der Paritätsgesetze in Brandenburg und Thüringen hätte nicht gezeigt, dass ein rechtssicheres Gesetz nicht möglich, sondern allenfalls, dass es schwer sei. An dieser Stelle lohne es sich zu investieren und zusammenzuarbeiten, um das ganze Potenzial der Gesellschaft auszuschöpfen.
rauen zu gewinnen und zu fördern, Parteikulturen zu verändern, Rahmenbedingungen zu modernisieren und verbindliche Regelungen im Sinne eines Paritätsgesetzes zu etablieren.
Helga Lukoschat präsentierte die Studie „Frauen MACHT Berlin. Politische Teilhabe von Frauen in Berlin“. Diese sei eine Neuauflage der Publikation von 2020. Auch sie betonte, dass im jetzigen Senat die Frauen erstmals in der Mehrheit seien, ansonsten vollziehe sich der Fortschritt eher im Schneckentempo. Der Unterschied in den Parteien bleibe, so Helga Lukoschat, deutlich bestehen – insbesondere die CDU liefere Werte, die nicht annähernd an Parität herankämen. Die Studie habe sich mit
Bezirkslisten wie Landeslisten beschäftigt und sich die Verhältnisse von Kandidatinnen und gewählten Kandidatinnen angeschaut. Deutlich gehe daraus hervor, inwiefern das Wahlrecht, aber auch parteipolitische Praktiken eine Auswirkung auf die Repräsentanz von Frauen habe. Hier sei eine wichtige Stellschraube. Wo sind weitere Handlungsoptionen? Es müsse darum gehen, so Helga Lukoschat, F
Nach der sehr dichten Darstellung eröffnete Christine Kurmeyer die Fragerunde auf dem Panel. Mirjam Golm äußerte Frustration über die vorgestellte Faktenlage, zeigte sich aber optimistisch, noch in dieser Legislatur ein rechtssicheres Paritätsgesetz etablieren zu können, der
Wille in der Koalition sei vorhanden. Bezirksbürgermeisterin Clara Hermann sprach die strukturellen Herausforderungen im Engagement auf kommunaler Ebene an. Ehrenamtlichen BVV-Mitgliedern würden viele Stunden zu familienunfreundlichen Tageszeiten abverlangt, was strukturelle Ausschlüsse produziere. Hier gebe es, so Clara Hermann, gute Ideen aus Schweden, von denen man lernen könne. Maren Jasper-Winter betonte, sie teile das Ziel der Parität, jedoch nicht den Weg des Paritätsgesetzes. Besser sei es, den Landesverbänden die Möglichkeit zu geben, sich selbst Ziele setzen zu können, die diese dann durch Maßnahmen wie Empowerment-Programme und Netzwerkarbeit erreichen könnten. Die Parteien müssten, so Maren Jasper-Winter, den Wettbewerbsvorteil in der Parität erkennen.
Silke Laskowski verdeutlichte, dass Frauen in der Politik laut ihrer Studie nur dort mit halbwegs adäquatem Frauenanteil vorhanden seien, wo selbst auferlegte Satzungsrechte gegriffen haben: bei den Grünen, den Linken und der SPD. Allein rechtliche Regelungen schafften es, so Laskowski, nachhaltig den Anteil positiv zu beeinflussen. Nicht die individuelle Mangelhaftigkeit der Frauen oder deren allgemeine Abwesenheit seien das Problem, sondern Strukturen, die Machtpositionen für Frauen unerreichbar machen. Der Staat sei hier verpflichtet, Chancengleichheit herzustellen. Sie werde, so Silke Laskowski, auch weiter juristisch gegen die Vernachlässigung des Gleichberechtigungsgrundrechts durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgehen.
In der anschließenden Diskussion fiel die Aufmerksamkeit unter anderem auf Nutzen und Nachteil von Bezirks- und Landeslisten für die Parität. Hier gebe es strukturellen Verbesserungsbedarf. Helga Lukoschat kommentierte, dass es viele Hebel gebe, die sich gegenseitig nicht ausschlössen. Parität sei ein langwieriger Prozess mit vielen Möglichkeiten, doch nur verbindliche Regeln würden diesen Prozess effizient abkürzen. Silke Laskowski zeigte sich zuversichtlich und plädierte dafür, auch dem Berliner Verfassungsgericht durch das Vorlegen eines Paritätsgesetzes eine Chance zu geben. In einer angeregten Schlussrunde im großen Forum wurden viele weitere Aspekte genannt, insbesondere aber die Rolle der Väter und wie diese mehr in Verantwortung gezogen werden könnten. Christine Kurmeyer schloss die Redner*innen-Liste mit dem Verweis auf die fortgeschrittene Zeit und auf das „Netzwerk Parität“, dass sich über Mitstreiter*innen sehr freuen würde.
Carola Braun begann das Schlusswort mit dem biografischen Hinweis, sie selbst wäre bei ihrem Eintritt in die FDP 1974 ganz klar gegen Quoten gewesen. Mit ihrer Erfahrung der letzten Jahrzehnte habe sich ihre Meinung jedoch geändert – es gebe keine Veränderung ohne Druck. Formulierungen in den Urteilen der Verfassungsgerichte ließen hoffen, so Carola Braun, dass eine überarbeitete Fassung durchaus Erfolg haben könnte. Bis dahin gelte es, sich in den jeweiligen Parteien für eine andere Parteikultur einzusetzen. Viele Widerstände gegen Gleichstellungspolitik in den Parteien ließen sich aus der Geschichte herleiten und es sei nützlich, dies offenzulegen. Starke Netzwerke seien ungemein wichtig. Wer es als Frau nach oben geschafft hat, müsse sich weiterhin für Gleichstellung einsetzen. Carola Braun endete mit dem Appell, als Frauenorganisationen eng mit der Politik zusammenzuarbeiten.
Die Studie „Frauen MACHT Berlin“ finden Sie hier.
Ein Bericht von Elena Gußmann