Veröffentlichung
Die Auswirkungen von COVID-19 auf die wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen in Berlin

Posted by on Dez 7, 2021 in Allgemein

Die vom WZB veröffentlichte Studie untersucht die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das wirtschaftliche und soziale Leben von Frauen* (in heterosexuellen Paarbeziehungen) in Berlin.

Zentral sind Änderungen bei den Arbeitszeiten: Für eine große Anzahl von Frauen – insbesondere Mütter – war es zu Beginn der Pandemie wahrscheinlicher, ihre Arbeitszeit zu reduzieren als für Männer. Mit Blick auf die Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit konnten wir zwar kaum Geschlechterunterschiede feststellen, dennoch sind die Konsequenzen von Arbeitsplatzverlust und Kurzarbeit für Frauen dramatischer als für Männer: Aufgrund geschlechterspezifischer Einkommensunterschiede waren die mit Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld einhergehenden finanziellen Einkommensverluste für Frauen besonders gravierend.

Für Frauen in systemrelevanten Berufen war es jedoch wahrscheinlicher, ihre Arbeitszeit aufgrund der Pandemie auszudehnen–also vorrangig in jenen Berufen, die in der Regel mit einer enormen körperlichen und/oder psychischen Belastung einhergehen.

Nach Aussage der befragten Expert*innen in unserer Studie haben beide Tendenzen Frauen und insbesondere Mütter an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. Das Homeoffice wurde von den befragten Expert*innen als ein zweischneidiges Schwert bewertet. Der Infektionsschutz sei hoch, andererseits sei das Homeoffice bei einem stark eingeschränkten Kita- und Schulbetrieb kein geeignetes Vereinbarkeitsinstrument. Wie gut die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Pandemie gelang, hing zudem stark mit den bestehenden Maßnahmen in den Betrieben zusammen. Vor allem junge Mütter haben während der Pandemie nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung Weiterqualifizierungsmaßnahmen und Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt häufig aufgeschoben.

Selbstständige waren besonders stark von Einkommenseinbußen betroffen: Frauen haben die staatlichen Soforthilfen insgesamt weniger in Anspruch genommen, wobei der Frauenanteil an den Auszahlungen der Hilfen häufig unter dem Frauenanteil der Selbstständigen in den einzelnen Branchen lag. Gründe hierfür waren, dass die Mehrheit der Soforthilfen nicht auf Soloselbstständige zugeschnitten war, die Soforthilfen als Kredite und Darlehen gezahlt wurden sowie eine diskriminierende Kreditvergabepraxen bei den Hausbanken. 81 Prozent der selbstständigen Frauen in Berlin sind soloselbstständig und haben damit häufig keine hohen gewerblichen Ausgaben, welche in den Soforthilfeprogrammen geltend gemacht werden konnten. Stattdessen litten selbstständige Frauen unter den ökonomischen Folgen ausbleibender Honorare, die für den Lebensunterhalt unverzichtbar aber nicht durch die Soforthilfen abgedeckt waren.

Im Hinblick auf das Familienleben und die Aufteilung der Sorgearbeit haben sich bestehende Geschlechterungleichheiten aufgrund der Pandemie entweder gehalten oder verstärkt: Väter dehnten ihren Anteil an der Kinderbetreuung zwar temporär aus, Frauen übernahmen jedoch weiterhin den Löwenanteil. Die Hausarbeit blieb unverändert in der Hauptverantwortung der Frauen. Aufgrund der Pandemie nahm nicht nur der Zeitumfang der Kinderbetreuung zu, sondern auch die Intensität sowie die inhaltlichen Anforderungen. Mütter hatten daher eine höhere Wahrscheinlichkeit, von den veränderten Elternverpflichtungen überfordert zu sein. Diese Mehrbelastung von Frauen in der Corona-Pandemie spiegelte sich in einer Verschlechterung der physischen und mentalen Gesundheit unserer Befragten wider. Dabei nahmen den Expert*innen zufolge Konflikte in der Partnerschaft und auch häusliche Gewalt zu.

Die unbezahlte Sorgearbeit von Frauen habe auch während der Pandemie nur wenig gesellschaftliche Anerkennung bekommen. Dies galt insbesondere für pflegende Angehörige, die kaum politische Beachtung erhielten. Unsere Expert*innen berichteten zudem, dass sozial benachteiligte Frauen (wie Alleinerziehende, Migrant*innen, Geringqualifizierte) und ihre Familien besonders hart von den Folgen der Pandemie getroffen wurden. Frauen und Männer waren pandemiebedingt häufiger auf SGB-II Leistungen angewiesen. Dies ist nicht nur auf eine gestiegene Arbeitslosigkeit zurückzuführen, sondern auch auf die die vielen Erwerbstätigen, die ihr Einkommen mit SGB-II Leistungen aufstocken mussten. Davon waren im Frühjahr 2020 vor allem Alleinerziehende betroffen, die bereits vor der Pandemie ein höheres Armutsrisiko hatten.

Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass die Corona-Pandemie keine grundlegend neuen Geschlechterungleichheiten im Erwerbs- und Familienleben hervorgebracht hat. Stattdessen sind die bestehenden Geschlechterungleichheiten wie durch ein Brennglas sichtbarer geworden und haben sich teilweise verstärkt. Die mittel- und langfristigen Folgen für die Gleichstellung sind abzuwarten und hängen auch vom politischen Willen ab, aktiv gegenzusteuern. Die Pandemie bietet jedoch auch Chancen für die Gleichstellung: So besteht in Zukunft die Chance auf eine egalitärere Aufteilung der Sorgearbeit, da – vor allem junge – Eltern neue Care-Arrangements ausprobiert haben und Väter, die mehr Kinderbetreuung übernehmen (möchten), sichtbarer geworden sind. Auch die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Unverzichtbarkeit und tatsächlicher Entlohnung in systemrelevanten Berufen, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, ist in der Pandemie sichtbar geworden. Hieraus sollten konkrete Maßnahmen, wie eine höhere Entlohnung und eine tarifliche Absicherung, folgen, womit langfristig auch der Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern reduziert werden könnte.

Zum ausführlichen Bericht geht es hier.