Beitrag zur Veranstaltung:
Über die Reformierung des deutschen Sexualstrafrechts- mit Mechthild Rawert (2017)
von Samira Strauss
Am 20.02.2017 sprach Mechthild Rawert MdB im Rahmen des Landesfrauenratsplenums über die Reformierung des deutschen Sexualstrafrechts, die im November 2016 in Kraft trat, und erklärte den Zusammenhang zwischen der Gesetzesneuerung und der Istanbulkonvention. Im Folgenden ein Überblick zu den wichtigsten Punkten aus dem Vortrag und der anschließenden Diskussion.
Was hat sich im letzten Jahr konkret im deutschen Sexualstrafrecht verändert? Unter anderem durch den Druck von Frauenverbänden wurde der Paragraph 177 des Strafgesetzbuches reformiert und endlich der Grundsatz „Nein heißt Nein“ im Gesetzestexts verankert. Das heißt, dass es nun nicht mehr nötig ist nachzuweisen, dass sich ein Opfer von sexueller Gewalt aktiv gewehrt hat, um eine Vergewaltigung zu bestrafen. Wie Rawert erklärte, standen vorher nicht die Handlungen des Täters im Mittelpunkt, sondern das Verhalten des Opfers, was im deutschen Recht ziemlich einmalig war. Dies war nicht der einzige Punkt, der an der vorherigen Formulierung des Sexualstrafrechts problematisch war, sondern auch, dass bisher bei sexuellen Übergriffen auf sogenannte „widerstandsunfähige“ Personen ein geringeres Strafmaß galt. Das hat sich durch die Reform klar verändert. Nun steht das Täterverhalten im Mittelpunkt, Übergriffe auf Menschen mit Behinderungen werden nicht länger weniger streng bestraft und sexuelle Belästigung wurde als Straftatbestand eingeführt. Dies zeigt, so Rawert, dass der Schalter „umgelegt“ wurde. Das neue Gesetz legt einen anderen Blick auf Geschlechterbeziehungen und die körperliche Selbstbestimmung von Frauen nahe und betrachtet das Problem der sexualisierten Gewalt mit einer anderen „Brille“. Somit stellt die Reform einen wichtigen Wendepunkt für die Frauenrechte in Deutschland dar und ist ein großer Triumpf für all die Aktivist*innen, die sich jahrelang für die Änderung stark gemacht haben. Interessant ist, dass bei Umfragen vor der Reform die Mehrzahl der befragten Bürger*innen selbstverständlich davon ausgingen, dass sexuelle Handlungen einvernehmlich sein müssen und verwundert darüber waren, wie veraltet das deutsche Sexualstrafrecht zu diesem Zeitpunkt noch war.
Und was hat die Sexualstrafrechtsreform mit der Istanbulkonvention zu tun? Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der 2011 in Istanbul beschlossen wurde. Es geht bei dem Übereinkommen darum, Gewalt gegen Frauen, sei es in Form von häuslicher oder sexualisierter Gewalt oder Genitalverstümmelung zu bekämpfen. Zentral sind, wie Rawert erläuterte, drei Punkte: Die Prävention von Gewalt gegen Frauen, der Schutz von Unterstützungseinrichtungen für Frauen und die Sanktionierung von gewaltvollem Verhalten. Vor der Reformierung entsprach das deutsche Sexualstrafrecht nicht den Anforderungen der Istanbulkonvention, weshalb Deutschland das Übereinkommen zwar unterschrieben, jedoch bislang nicht ratifiziert hat. Dieser Schritt kann durch die Reform nun hoffentlich bis spätestens Sommer 2017 erfolgen. Dann werden die Grundsätze der Istanbulkonvention auch in Deutschland geltendes Recht. Zum Abschluss plädierte Rawert dafür, den Zeitraum vor der Ratifizierung zu nutzen, um in der Öffentlichkeit aktiv auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.
Wir danken Frau Rawert für Ihren spannenden Vortrag und die anregende Diskussion und hoffen, sie bald wieder beim LFR begrüßen zu dürfen.